Nadia Schmidt – Peinture

     "la porte rouge”, Claviers, 09.07. – 21.08.2016


Nadia Schmidt (geboren 1964 in Berlin) verfügt virtuos über die malerischen Mittel, aus dem Spiel des Lichts auf Ästen und Zweigen, auf den schrundigen Oberflächen der Stämme oder im dichten Gestrüpp des Waldbodens ein vor Vitalität vibrierendes ästhetisches Ereignis zu machen. Mit der malerischen Interpretation treten die Kategorien der illusionistischen Naturdarstellung in den Hintergrund gegenüber einer emotionalen Verarbeitung des Gesehenen, das bis zur surrealen Verzerrung reichen kann. Entgegen jeder analytischen Bestandsaufnahme werden die Erscheinungen in Fragmente vereinzelt, die sich zu neuen Mutationen verbinden. Das vegetabile „All over“ bildet weniger Natur ab, als dass es die wuchernden Energien komplexer seelischer Zustände zum Ausdruck bringt. Derart psychisch aufgeladen wird der Blick in den Wald zur bestürzenden Begegnung mit den irrationalen Kräften der menschlichen Verfasstheit.


Durch die hyperrealistische Malweise verwandeln sich altbekannte Formen in spektakuläre Organismen, die eine irritierende Präsenz beanspruchen. Neben der Bewegtheit der Linie ist das Licht der wesentliche Katalysator dieses Eindrucks schillernder Lebendigkeit. Fast fühlte man sich an die Lichtmalerei der Impressionisten erinnert, wenn die Zeichnung sich nicht gleichzeitig so ausgesprochen plastisch gegen den Hintergrund abgrenzen würde. Zeichnerische Handschrift und Detailreichtum der wie Fühler auseinanderstrebenden Verästelungen lassen einen starken Bezug zur Landschaftsmalerei der Romantik erkennen. Der gerade in jüngerer Zeit in der Kunst wieder aufgeflammte Einfluss eines Malers wie Caspar David Friedrich ist unverkennbar. In den großen Formaten von Nadia Schmidt schwingt ein Nachhall der romantischen Naturmystik. Gepaart mit dem flirrenden Licht des Südens finden ihre Bilder zu dieser ungeheuren Intensität.

     Nadia Schmidt hat tatsächlich erst vor zwei Jahren mit der Malerei begonnen. Sie konnte dabei auf ihrer lebenslangen Erfahrung mit der Zeichnung, dem konzentrierten Schauen und vorbehaltlosen sich-in-etwas-Hineinvertiefen aufbauen. Mit der Malerei und der Einbeziehung der Farbe erschloss sie sich neue Räume. Sie ermöglichte es ihr, ihre Faszination für Oberflächentexturen und haptische Qualitäten mit der Zeichnung zu verbinden. Und auch ihrem immer schon ausgeprägten Interesse für die Verwandlungskraft des Lichts eröffnen sich in der Malerei neue Ausdrucksmöglichkeiten.


Die Bilder entstehen nach real gesehenen und begangenen Orten, die aber durch den Einsatz der Farbe und ihrer malerischen Behandlung eine Transformation durchlaufen. Es ist eine Klärung und subjektive Aneignung der chaotischen, ungeordneten Naturwildheit mit den für die Künstlerin im Moment dafür am besten geeigneten Mitteln. Nadia Schmidt, die in der Ancienne Champignonnière in Claviers lebt, legte in diesen letzten beiden Jahren eine unglaubliche Entwicklung und Produktivität an den Tag. Die Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit dieser neuen Malereierfahrung lässt sich in jeder einzelnen Arbeit aus diesem kurzen Zeitraum ablesen.  


Sabine Elsa Müller



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